Erster Zwischenbericht von Heidi Fogel

11. Mai 2001
 
Dr. Heidi Fogel Rätsel um Lager Rollwald wird gelöst

Neu-Isenburger Historikerin Heidi Fogel gibt dem Vorstand und Beirat des Fördervereins einen ersten Zwischenbericht ihrer Forschungsarbeit.

Unter welchen Bedingungen mussten die Gefangenen im Lager Rollwald während der Zeit des Nationalsozialismus leben und arbeiten? Warum wurden sie dort inhaftiert? Diese Fragen klärt zurzeit die Neu-Isenburger Historikerin Heidi Fogel. Erste Ergebnisse hat sie jetzt vorgelegt.

Das hessische Staatsarchiv in Darmstadt ist für Heidi Fogel so etwas wie ein zweites Arbeitszimmer geworden. Dort hat sie Akten der Generalstaatsanwaltschaft Darmstadt gesichtet, in deren Zuständigkeit das Lager Rollwald bei Nieder-Roden gehörte, sowie Unterlagen, die von der Strafvollzugsanstalt Dieburg dorthin abgegeben worden waren. Darunter ist eine Gefangenenkartei mit 8000 bis 10 000 Karteikarten, die Aufschluss geben können über die Menschen, die dort von 1938 bis 1945 gefangen gehalten wurden.

Die Karteikarten hat die Neu-Isenburgerin noch nicht alle auswerten können. "Im Lager Rollwald waren Männer inhaftiert. Die meisten waren deutsche Staatsbürger. Es gab aber unter anderem auch französische Gefangene, die in den besetzen Gebieten von Gerichten der deutschen Wehrmacht verurteilt worden waren", sagt die freiberuflich arbeitende promovierte Historikerin, die sich mit ihrer Forschung zum Nationalsozialismus sowie zur Stadthistorie Neu-Isenburgs im Rhein-Main-Gebiet einen Namen gemacht hat.
Die Lagergeschichte erforscht sie im Auftrag des Fördervereins für die historische Aufarbeitung der Geschichte des Lagers Rollwald, der sich vor einem Jahr gegründet hat, damit dieses Kapitel in der Vergangenheit Rodgaus nicht in Vergessenheit gerät. Der Kreis Offenbach, die Stadt Rodgau, die Fraport AG, (vorher Frankfurter Flughafen AG) haben für die Studie Geld gegeben.

Das Lager Rollwald war eines von drei Stammlagern, die unter der Bezeichnung Gefangenenlager Rodgau zusammengefasst wurden, wie Heidi Fogel erläutert. Die anderen befanden sich in Dieburg und Eich. Jedes hatte mehrere Außenlager, die dort entstanden, wo Arbeiter für kriegswichtige Betriebe gebraucht wurden.

Rollwald selbst war für etwa 1500 Gefangene ausgelegt. "Anfangs führten sie Meliorationsarbeiten aus", sagt sie. Rodau und Gersprenz sollten von ihnen begradigt werden. Außerdem wollten die Nationalsozialisten die Böden verbessern.

Ihr Plan: Die Äcker sollten dazu mit den Abwässern Frankfurts berieselt werden. Der Krieg sorgte dafür, dass es dazu nicht kam. Von 1942 an arbeiteten die Gefangenen in der Rüstungsindustrie.

Wer sie waren und warum sie im Lager Rollwald inhaftiert wurden, das kann Heidi Fogel, die seit Januar zu dem Thema arbeitet, noch nicht sagen. Das, was auf den Karteikarten in dürren Worten verzeichnet ist, geht ihr zuweilen trotz aller professioneller Distanz nah. "Wenn ich von einem 20 Jahre alten Bibelforscher lese, der den Kriegsdienst verweigerte und deshalb nach Rollwald kam, berührt mich das", sagt die Historikerin, die selbst drei Töchter im Alter von 14, 17 und 19 Jahren hat.

Das Lager war kein Vernichtungslager. Dennoch starben über 100 Menschen dort - viele davon an Epidemien. Berichte von Menschen, die in Rollwald in Haft waren, hat Heidi Fogel in verschiedenen Veröffentlichungen gefunden. Einige Zeitzeugen, die sie interviewen kann, hat sie auch. Sie hofft aber, noch weitere zu finden, die über das Lagerleben berichten können - entweder weil sie dort inhaftiert waren, dort arbeiteten oder in der Nachbarschaft lebten. Denn die Akten, die sie zurzeit wälzt, erzählen nur einen Teil der Geschichte.

Im Spätherbst wird sie von ihren weiteren Arbeiten dem Vorstand und Beirat berichten. Wobei zu überlegen ist, ob man dies nicht im Rahmen einer Versammlung den Mitgliedern mitteilen soll.