Zuordnung des Lagers Rollwald nach Sierian
Text aus der Dokumentation von Heinz Sierian
Achtung: Dieser Text stammt aus der Zeit vor der Arbeit des Fördervereins und gibt nicht mehr den letzten wissenschaftlichen Stand wieder!

Ein in „Faschismus“, Renzo Vespignani, Elefantenpresse 1979 abgedrucktes Dokument F 321 des französischen Büros des Informationsdienstes über Kriegsverbrechen, Nürnberg 1949 hat einen Anhang mit der Überschrift:

Liste der Lager, Kommandos und Gefängnisse, die zur Inhaftierung gedient haben.

Die Liste enthält für Deutschland und die von Deutschland während des Krieges besetzt gewesenen Gebiete mehr als 1 000 Orte, an denen sich Lager, Kommandos und Gefängnisse befanden.

Darunter befinden sich auch:
            

Name wo gelegen? Art des Lagers
Dieburg Hessen Lager für Politische
Nieder-Roden - Rollwald Hessen     Lager für Politische
Aber auch: (und das mag wegen der Namensidentität genannt sein):
Rollwald  Thüringen Kommando von Buchenwald


Eine solche – wohl ähnliche Liste – ist auch in der Anlage zum Schreiben des Instituts für Zeitgeschichte vom 27. Mai 1981 genannt:
Catalogue of Camps and Prison in Germany and German-occupied Territories Sept. 1st 1939 – May 8th 1945, 1. 
Auflage Arolsen Juli 1949.

Dieburg und Nieder-Roden sind hierin aufgezeichnet.

„Die neueren Auflagen der Lagerverzeichnisse des Internationalen Suchdienstes in Arolsen enthalten keine Angaben (gemeint ist über Nieder-Roden/Rollwald und Dieburg), weil dem IST offensichtlich kein Material über eine Unterstellung des Dieburger bzw. Nieder-Rodener Lagers unter den RFSS (gemeint ist: Reichsführer SS) vorliegt“: 36)

So hatte sich auch schon mit einem direkten Antwortschreiben vom 25. Februar 1980 der Internationale Suchdienst in Arolsen erklärt:
Betr. Strafgefangenenlager „Rollwald“ in Nieder-Roden

. . . teilen Ihnen mit, dass sich in Nieder-Roden das Außenkommando Lager II (genannt Rollwald) des Strafgefangenenlagers Rodgau – Dieburg befand . . . Die Strafgefangenenlager unterstanden dem Reichsjustizministerium und standen somit in keinem Zusammenhang mit den Konzentrationslagern. 37)

In Presseveröffentlichungen des Jahres 1981 trat in Verbindung mit dem Lager Rollwald wiederholt die Vokabel „Konzentrationslager“ auf. 38)  Ein damit in Zusammenhang stehender Leserbrief eines früheren Rollwald-Häftlings spricht davon, „. . . dass in Nieder-Roden ein KZ-Außenlager bestand“: 39)

Diese Behauptung ist nun ohne Zweifel falsch, dagegen sprechen schon die bisher zitierten Quellen. Auch die bereits behandelte Zeugenaussage des österreichischen Bibelforschers (Seite 7 dieses Berichts) stellt fest: „der Lagerleiter war von der Justiz eingesetzt“. 40)

Dass im Lager Rollwald auch politisch und religiös Verfolgte eingesessen haben, kann man einfach unterstellen, selbst wenn keine Aussagen darüber vorhanden wären. Denn es gehörte zu den Strafvollzugsmethoden der Nazis „Kriminelle“ und „Politische“ zu mischen. Nur fehlt z.Zt. noch jeder Nachweis darüber, in welchem Verhältnis diese Vermischung im Rollwald stattfand.

Gegen das Etikett „Konzentrationslager“ für den Rollwald spricht auch die Tatsache, dass der Lagerleiter mit seinen (oder einem Teil seiner) Aufsichtsbeamten das Gefangenenlager Rodgau II unter Kontrolle behielt, bis es die Amerikaner übernahmen. Lagerleiter Stumpf: „Ich bin Leiter des Lagers Rollwald bis zur Übergabe an die Amerikaner gewesen“. 41)

Dieses Wachpersonal wäre doch beim Herannahen der Amerikaner bestimmt nicht am Platze, d.h. im Lager Rollwald verblieben, wenn sie die Funktion von Konzentrationslager-Schergen gehabt hätten.

Auch dass Geistliche beider Konfessionen Zugang zum Rollwaldlager und den Häftlingen hatten, spricht gegen dessen Einstufung als KZ. Darüber existiert ein Eintrag aus der Zeit sowohl in der Pfarr-Chronik der katholischen Kirche in Nieder-Roden als auch der evangelischen Kirche in Dudenhofen. In Dudenhofen erwähnt der damals amtierende Geistliche „die seelsorgerische Versorgung des Lagers Rollwald, das ich ja schon seit 1944, also in der nationalsozialistischen Zeit zu versorgen hatte“.

In der Chronik der katholischen Kirche Nieder-Roden berichtete der Pfarrer sogar ausführlicher: „Der Lagerleiter des Gefangenenlagers Rodgau zu Nieder-Roden bat um Ausübung der Seelsorge. Am 20. August 1939 war ich etwa 14 Monate seit Bestand des Lagers zum ersten Male Gottesdienst halten. Von 850 Kath. (800 Prot.) erschienen freiwillig 122 Katholiken; dazu folgt dann  noch eine Bemerkung am Rand: „ 3. September = 137,17. September = 110“ (damit ist wohl die Beteiligung an den folgenden Gottesdiensten gemeint.).

Recht aufschlussreich ist auch der Eintrag des katholischen Pfarrers zu Nieder-Roden in die Pfarr-Chronik unter dem 29. März 1945: „Auch der Rollwald wird langsam geleert. Zuerst werden die politischen Gefangenen entlassen, danach die anderen nach ihren Straftaten behandelt.“

Diese letzte Bemerkung lässt wohl den Schluss zu, dass die amerikanische Besatzungsmacht die Häftlinge nicht einfach ohne Prüfung ihrer Straftaten in die Freiheit schickte.

Die meisten Teilabschnitte des Themas Lager Rollwald sind aus bereits genannten Gründen unvollständig behandelt und bedürfen noch weiterer Nachforschungen.

Da sich zum Abschnitt „Lagerfriedhof“ relativ aussagekräftiges Archivmaterial finden liess, ist dieser Punkt ziemlich weit untersucht. Es mögen die dazu gemachten Ausführungen vielleicht auch erklären, warum kein besonderer Anlass bestand, die Friedhofsanlage am ehemaligen Lager Rollwald zu erhalten.

 
Fußnoten:
36) Institut für Zeitgeschichte, Schreiben vom 27. Mai 198

37)  Internationaler Suchdienst Arolsen, Schreiben vom 27. Mai 1981

38) Offenbach Post, 5. Februar 1981; „Ortsvorsteher zweifelt“

39) Offenbach Post 17. Februar 1981; Leserbrief; „Wortklauberei um KZ“

40)  IZG, Signatur Zs 1909 sonst wie Fussnote 20

41)  GA, Sign. 74, schriftliche Erklärung Stumpf an Justizminister vom
    4. Juni 1956