Nationalitäten der Häftlinge
Haft-/Strafgründe, Sterbefälle
Mit dem Zweck der historischen Aufarbeitung der Geschichte des Lagers Rollwald ging im Jahr 2000 der Förderverein an seine Arbeit.

Doch einiges wusste oder ahnte man bereits dank der akribischen Vorarbeit von Menschen wie Heinz Sierian, wenn auch das Wissen unvollständig war und manche Quellen noch nicht erschlossen werden konnten. Das wurde dank des Fördervereins und der Arbeit der Historikerin Dr. Heidi Fogel inzwischen nachgeholt und im Buch: "Das Lager Rollwald, Strafvollzug und Zwangsarbeit 1938 bis 1945" dokumentiert.
(Der folgender Text aus den Aufzeichnungen von Heinz Sierian entstand ebenfalls bereits einige Jahre vor Gründung des Fördervereins!):


Text aus der Dokumentation von Heinz Sierian

Das im Lager Rollwald nicht nur mit Gefängnis bestrafte Gefangene inhaftiert waren sondern mindestens seit 1942 auch Zuchthausgefangenen dort einsaßen, ist schon  behandelt worden.

Details hierzu können für eine vollständige Übersicht vermutlich nur aus der Lagerkartei erschlossen werden, die nach neueren Presseinformationen noch in der heutigen Justizvollzugsanstalt Dieburg vorhanden sein muss. 18)

Einsichtnahme in dieses Archivmaterial  wird aber vermutlich wegen der heutigen Zeit bestehenden Daten-/Personenschutzgesetze auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen.

Es liefern aber einige Quellen hierzu wenigstens Aus­schnittinformationen. So gibt es eine Übersicht über die im Lager Rollwald in der Zeit vom  21. Januar bis 18. November 1942 vorgekommenen Entweichungen von Häftlingen.  Insgesamt sind in diesem knappen Jahr 46 Personen entwichen (geflohen). Aus dem Bericht der Lagerleitung  sind auch die Delikte und Art und Länge der Strafen ersichtlich.

Es werden genannt:
Diebstahl, Fahnenflucht, Landstreicherei, Totschlag, Betrug, Verbrechen gegen VVO (hierfür Strafe 15 Jahre Zuchthaus), Gewaltverbrechen, Betteln, Volksschädlings Verbrechen (1 mal vorkommend, dafür 15 Jahre Zuchthaus), Übertretung (1 mal), Wehrdienstverweigerung (1 mal).

Mehrere der Entflohenen waren Österreicher (andere Ausländer haben sich wahrscheinlich wegen ihrer unzureichenden deutschen Sprachkenntnisse gar keinen Fluchtversuch zugetraut). 19)

Auf wiederholte Anfrage lieferte das Deutsche Institut für Zeitgeschichte die von einem Prof. Kater 1967 aufgenommene Zeugenaussage eines ehemaligen Rollwaldhäftlings – Franz W. – auszugsweise. 20)

Danach war Franz W. im Januar 1941 in das Lager gekommen und ist dort inhaftiert gewesen „bis zum Tage der Befreiung am 14. März 1945“. Franz W. ist österreichischer Nationalist und „Zeuge Jehovas“ (gewesen). Er ist nach seiner Aussage als Bibelforscher isoliert gefangen gehalten worden. Aus seiner 24 Schreibmaschinenzeilen langen Schilderung lassen sich neben der Klage über die zu schwere körperliche Arbeit, über eine als schlecht „berüchtigt gewesenen Häftlingsverpflegung“ und über den „sadistischen Arzt im Lager“ auch positive Bemerkungen entnehmen. „Franz W. hat so etwas wie eine Vertrauensstellung eingenommen“ heißt es in dem Kommentar des Prof. Kater. Und weiter: „zumindest genoss er das Vertrauen des Lagerführers“ – „Als Bibelforscher wurde er von diesem sehr respektiert“.
Erlebniszeugen aus der Zeit wollen anhand der sich aus diesem Bericht abweichenden Indizien in Franz W. „das Fränz’che“ wiedererkennen, der Österreicher und Bibelforscher war, und bis Kriegsende Häftling im Lager Rollwald war. 21)

Franz W. war von Beruf Maler und fast ständig für Renovierungen innerhalb und außerhalb des Lagers eingesetzt, konnte sich relativ frei bewegen, bekam bei seinen Arbeiten in den von Zivilisten bewohnten Häusern Esswaren und Tabak zugesteckt und genoss so tatsächlich eine Vertrauensstellung, wie er es selbst nennt.

Neben den Österreichern – wie schon vorher erwähnt – waren unter den Häftlingen auch Angehörige der belgischen, französischen, luxemburgischen und norwegischen Nation. 22)

Mit welchem  Anteil  Ausländer insgesamt und mit  weIchen Quoten die einzelnen Nationen an dem Gesamtlagerdurchgang beteiligt waren, lässt sich z.Zt. noch nicht sagen. Immerhin gibt die „Gräberliste vom 15. Februar 1954, Friedhof: Lager Rollwald“ wenigstens Auskunft über die Nationalitäten der Bestatteten. 25)

Danach sind dort geführt:

89 Deutsche
2 Holländer
1 Österreicher
1 Luxemburger
1 Pole
1 Däne
1 Kroate

Es fällt übrigens auf, dass die Mehrzahl der Bestatteten einfache Berufe hatten:  Arbeiter (darunter auch Dienstknecht, Kuhhirte), einige wenige Handwerker und Bauern und nur 1 Geschäftsführer, 1 Techniker, 1 Chemiker.

Am Haupteingang des Lagers Zwischen der Gemeinde Nieder-Roden, dem Landrat, dem Regierungspräsidenten und dem Innenminister entspann sich über die Unterhaltung und Pflege des Lagerfriedhofes 1956/57 ein von der Gemeinde z.T. aggressiv und emotional geführter Schriftwechsel. Diesem Schriftwechsel verdanken wir eine weitere Erkenntnisse. Es wird dabei die Frage behandelt, ob die Gräber auf dem Lagerfriedhof als Kriegsgräber im Sinne des Kriegsgräbergesetzes einzuordnen sind.   Fotograf Murmann aus Ober-Roden

Am 3. Januar 1956 schreibt der Regierungspräsident in Darmstadt an den Hessischen Innenminister unter dem Betreff „Kriegsgräberfürsorge; hier: Friedhof des ehemaligen Lagers II "Rollwald" wie folgt: 24)

„Aufgrund Ihres Erlasses vom 12. d. M. wurde versucht, durch neue Ermittlungen festzustellen, ob und in welchen Umfang sich unter den Gräbern auf dem Friedhof des ehemaligen Lagers II „Rollwald“ bei Nieder-Roden solchen Gräber befinden, die als Kriegsgräber nach den Vorschriften des Kriegsgräbergesetzes anerkannt werden können.
. . . . .
Wegen des Fehlens einwandfreier Unterlagen für die Beurteilung des Sachverhalts wurde sowohl mit dem jetzigen, als auch mit dem früheren Bürgermeister der Gemeinde Nieder-Roden sowie mit zwei weiteren einwandfreien Persönlichkeiten Fühlung genommen, die in der Lage sind, einigermaßen einwandfrei und unvoreingenommen Auskunft zu erteilen.
. . . .
Es hat sich dabei folgendes ergeben:
Das Lager ‚Rollwald’ wurde bereits im Jahre 1937 als Außenstelle des Lagers Dieburg angelegt. In den ersten Jahren seines Bestehens wurden dort kriminelle Häftlinge untergebrecht. Die Lagerinsassen mussten in der näheren und weiteren Umgebung des Lagers Kultur- und Meliorationsarbeiten verrichten. Übereinstimmend bekunden die befragten Personen, dass im Laufe des 2. Weltkrieges, vor allem seit 1943, in dem Lager politisch und religiös Verfolgte untergebracht wurden. Auch diese Inhaftierten wurden für Arbeiten der vorbezeichneten Art eingesetzt. Die damals noch vorhandenen verhältnismäßig wenigen kriminellen Häftlingen wurden fast ausschließlich nur innerhalb des Lagers beschäftigt. Sie sollen, wie dies auch von großen Konzentrationslagern bekannt ist, sich von den politisch und religiös Verfolgten ziemlich abgesondert  und diesen vielfach übel mitgespielt haben. Alle befragten  Auskunftspersonen erklärten übereinstimmend, dass kein Zweifel darüber bestehe, dass die auf dem Friedhof des Lagers ‚Rollwald’ bestatteten Toten mindestens zu 75% politisch und religiös Verfolgte waren.
. . .
Aufgrund der Ergebnisse dieser neuen Ermittlungen möchte ich vorschlagen, alle weiteren Bedenken zurückzustellen und die Gräber auf dem Lagerfriedhof ‚Rollwald’ samt und sonders als Kriegsgräber im Sinne des Kriegsgräbergesetzes anzuerkennen. Mir ist zwar durch Ihren Erlass vom 5. September 1952  die Entscheidung über die Anerkennung von Kriegsgräbern übertragen, aber ich möchte in diesem besonderen Falle zunächst um Ihre Stellungnahme zu meinem Vorschlag bitten.“

Der Sachvortrag in diesem Brief liest sich überzeugend, aber die letzte Formulierung lässt Unsicherheit erkennen, ob die Deklaration des Lagerfriedhofs als Kriegsgräberanlage zu vertreten ist.

Und so ist es dann auch: ein knappes Dreivierteljahr später – solange haben offenbar die weiteren Recherchen gedauert – lässt sich der Regierungspräsident in Darmstadt in seinem Schreiben vom 16. Oktober 1956 an den Landrat in Dieburg unter dem „Betreff: Kriegsgräberfürsorge, hier Friedhof des ehemaligen Lagers II Rollwald bei Nieder-Roden“ wie folgt vernehmen: 25)

„Wie ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, hatte die Durchsicht der Karteikarten der Strafanstalt Dieburg ergeben, dass alle auf diesem Friedhof bestatteten Personen wegen kriminellen Delikten inhaftiert waren. Den Nachweis, dass wenigstens einige dieser Karteieintragungen nicht den Tatsachen entsprochen haben können, konnte ich nicht erbringen.“
Fußnoten:

18       „Ein Stück deutscher Zeitgeschichte – Karteikarte berichtet“ – Inhaftierung Fritz Erlers, Frankfurter Rundschau, 23. Juni 1980

19          StADA, Abteilung G 21A, Konv. 2400, Fasc. 21

20          IZG, Signatur Zs 1909, Anlage zum Schreiben vom 27. Mai 1981

21     Mündliche Information, Juni 1981 durch die Eheleute Wilhelm
 Phillip, Rollwald

22      Internationaler Suchdienst, Arolsen, Schreiben vom 3. Juni 1980

23          GA, Signatur 74, Fasc. Friedhofs- und Begräbnissachen

24          wie vor

25         GA, Signatur 74, Fasc. Kriegsgräber