Aufsatz von Karl Müller | ||
"Die Vorgeschichte Rollwalds" |
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Der günstigen
geographischen Lage wegen wurde dieser wertvolle Waldbestand auf Anordnung
des Ministeriums für Arbeit und Wirtschaft in Hessen abgeholzt. Alle
Proteste des damaligen Bürgermeisters Gotta blieben erfolglos. Ohne die
Gemeinde Nieder-Roden davon in Kenntnis zu setzen, wurde mit dem Abhieb
begonnen. Dadurch erwuchs der Gemeinde nach forstamtlicher Berechnung, die
der jetzige Bürgermeister Weyland hat durchführen lassen ein Schaden von
1,9 Millionen D-Mark. Nachdem der Wald
abgeholzt war, wurde ein Barackenlager errichtet, das durch einen
vierfachen, drei Meter hohen Stacheldrahtzaun gesichert wurde.
So entstanden nach und nach 24 große Holzbaracken, in denen Küche,
Lazarett, Speisesäle sowie Schlafsäle für die Gefangenen vorhanden
waren. Für die Beamten (Wachpersonal) wurden eigens Einfamilienhäuser
errichtet. Diese Häuser stehen in dem Geviert Lagerstraf3e, Waldstraße,
Am Rollwald, südwestlich abgegrenzt durch den holzverarbeitenden Betrieb. Die Zahl der
Strafgefangenen wuchs enorm. Innerhalb kurzer Zeit war die Zahl 1 500
erreicht. Für Vergehen der
Strafgefangenen innerhalb des Lagerbereichs, zum Beispiel Fluchtversuch,
Kameradschaftsdiebstahl etc., wurde ein Massivbau mit Einzelzellen
errichtet. Dieser Bau wurde später von einigen Privatpersonen gekauft und
zu Wohnungen ausgebaut. Hier sind u. a. auch eine Gastwirtschaft, die Post
und die Filiale der Kreissparkasse untergebracht. Der Haupteingang zu dem
Strafgefangenenlager führte durch die heutige Straße „Am
Kreuzberg". Die in dem Lager untergebrachten Strafgefangenen stammten
aus allen Gebieten Deutschlands, ja es waren sogar viele Ausländer
darunter. Die Strafgefangenen mussten Drainagerohre zur Entwässerung
dieses ziemlich versumpften Gebietes legen, ebenso wurden sie zur
Regulierung der Rodau in Nieder- und Ober-Roden eingesetzt. Bis zum Jahre 1944 war
die Sterblichkeit im Lager normal; erst als im Jahre 1944 ein Transport
sehr geschwächter alter Leute eintraf, wuchs die Sterblichkeit sehr an.
Die Toten wurden anfangs in der Gemeinde Nieder-Roden beigesetzt, später
errichtete man in Rollwald selbst einen Friedhof, auf dem 114 Mann
beerdigt wurden. Von den Toten wurden inzwischen einige exhumiert und in
ihre Heimat überführt. Auf dem Kahlschlag des
Rollwaldes entstanden auch zwei Erbhöfe mit je 120 Morgen Feld. Hier
wurden verschiedene Kunstdünger ausprobiert, die die IG-Farben kostenlos
für Versuchszwecke zur Verfügung stellte. Jenseits der Rodau
sollten weitere vier Erbhöfe entstehen, zu deren Errichtung es infolge
der sich überstürzenden Kriegsereignisse nicht mehr kam. Unter Bürgermeister
Schüler wurde mit der Aufforstung der für die Erbhöfe bestimmten und
bereits abgeholzten Flächen begonnen; diese Arbeiten wurden unter Bürgermeister
Weyland beendet. Als am 26. 3. 1945 die
Amerikaner in Nieder-Roden einzogen, wurde auch das Lager Rollwald von
ihnen besetzt. Die Tore des Lagers öffneten sich und alle Strafgefangenen
wurden frei. Die Amerikaner benutzten jetzt die Baracken zur Aufbewahrung
der Karteikarten, in denen die Namen deutscher Kriegsgefangener erfasst
waren, die in alliierte Kriegsgefangenschaft gerieten. Hier wurden nach
Kriegsende die Karteikarten von entlassenen deutschen Kriegsgefangenen und
Leuten aus der näheren und weiteren Umgebung bearbeitet. Die Arbeiten
wurden von Alliierten beaufsichtigt. Die Alliierten und die entlassenen
deutschen Kriegsgefangenen, die z. T. lm Osten beheimatet und mit den Alliierten
aus Frankreich mitgekommen waren, bewohnten die von dem Wachpersonal des
Strafgefangenenlagers geräumten Einfamilienhäuser. lm Jahre 1950 wurden
die Arbeiten der Alliierten in Rollwald beendet und die Wohnhäuser von
ihnen freigegeben. Kurz darauf wurden diese Häuser durch die
Teilnehmergesellschaft Rodgau an Privatpersonen verkauft; ebenso sind die
beiden Erbhöfe in Privatbesitz übergegangen. Zu bemerken wäre noch,
dass dem Wachpersonal des Strafgefangenenlagers auch ein Schwimmbad zur
Verfügung stand. Dieses Schwimmbad wurde später auch noch von
Amerikanern und Deutschen benutzt. Das Schwimmbad wurde im Laufe der Jahre
zugeschüttet, und heute steht an dieser Stelle der Rollwälder
Kindergarten. Noch dem Kriege war die
Wohnungsnot im hiesigen Gebiet durch den Zuzug von Flüchtlingen sehr
gross. ln Rollwald fanden viele Flüchtlinge, ja sogar auch Einheimische,
ein neues Zuhause. |
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